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Frankfurt, Jahrhunderthalle, 27.10.2005 (Quelle: fr-aktuell.de)

Die Kinder sind in Ordnung

Oasis' Rock-Referenzen in der Jahrhunderthalle

VON SILKE HOHMANN

Eins der Probleme von Oasis sei, so die Analysen, neben den ewigen Brüder-Rüpeleien zwischen dem Sänger Liam und dem Songschreiber Noel Gallagher, dass sie es in den Vereinigten Staaten nie so richtig geschafft hätten. Im Juni, als das neue Album Don't Believe the Truth herausgekommen war, spielte die Band erfolgreich im New Yorker Madison Square Garden, "Madison Square fucking Garden!" So freut sich ein Gallagher. Die Tour stand unter einem guten Stern.

Nach Frankfurt in die Jahrhunderthalle kommen junge Menschen in Beatles-T-Shirts und solche mit Tocotronics "Reine Vernunft darf niemals siegen". Reines Proletentum aber auch nicht. Die talentierte Vorband The Coral aus dem britischen Küstenort Hoylake sind zwar von Oasis selbst für "fucking brilliant" erklärt worden, spielen großartig und tragen mit Spanish Main eine der packendsten Nummern des Abends bei. Mehrstimmig tönt es wie aus den Eingeweiden eines Schiffsbauchs, aber die ersten Reihen grölen: "Oasis!".

Zehn Jahre nach Morning Glory

Denn der Oasis-Fan kann zwar durchaus warten, zehn Jahre auf ein richtig gutes Album etwa (What's the Story Morning Glory erschien 1995) - und das sogar vergeblich. Doch verliert er andererseits schnell die Geduld, selbst wenn da sehr gewissenhaft durch die Rockgeschichte navigiert wird von einer vielversprechenden jungen Band, von deren innerem Seegang sich Songschreiber Noel Gallagher offenbar für den besten Song des neuen Albums hat inspirieren lassen: Das düster-verschrobene The Importance Of Being Idle, gesungen von Noel selbst, wird der erste überraschende, richtig gute Live-Moment des Oasis-Auftritts.

Oasis beginnen mit Turn Up the Sun vom neuen Album, geschrieben vom Bassisten Andy Bell. Liam Gallagher singt, wie nur er singen kann. Schnarrend und nörgelig, mit langen Vokalen, die flach durch die kaum geöffneten Zahnreihen dringen. Bei den besonders oft vorgetragenen Songs, Wonderwall etwa, gibt er sich weniger Mühe als Bob Dylan in seinen unmotiviertesten Zeiten. Der Schellenkranz dient vor allem dazu, die Hände hinter dem Rücken zusammen zu halten. Bei Live Forever setzt er ihn sich auf wie einen Heiligenschein. Leider hat die Lichtregie nie ausreichend Adorations-Reflexe, der Rockheilige steht im Dunkel. Nachdem eine Frau auf den Schultern ihres Begleiters das T-Shirt hochgehoben hat, applaudiert Liam anerkennend (der Saal klatscht mit) und wirft ihr das Instrument zu. Viel Zuneigung von einem wie ihm.

Wenn Noel singt, was bei den besseren Songs (Don't Look Back In Anger, Mucky Fingers) geschieht und überdies die bessere Wahl zu sein scheint, geht Liam von der Bühne. Was soll er auch sonst machen, außer in Liam-Gallagher-Pose herumstehen. Dieser Selbststilisierung als Supersuperstar würde ein bisschen Ironie nicht schaden. Die suchte man bei Oasis, sofern es um Oasis geht, aber schon immer vergeblich. Wenigstens sind die Zeiten des dem Publikum zugekehrten Rückens vorbei: Hier wird mal ein Flaschenverschluss in die Menge geworfen, da ein paar Hände geschüttelt. Man ist unter sich, und man ist immer noch viele. Britpop ist inzwischen den Gang aller nachhaltigeren Jugendbewegungen gegangen: Man kann in Ruhe sein Ding machen, denn das Phänomen ist aus den Magazinen verschwunden. Der Platz in der Pophistorie ist gewiss, die Pophysterie dagegen abgeklungen, doch "the kids are alright", wie es schon 1979 bei den großen The Who hieß.

Zum Schluss klatschen sich alle angeführten Referenzen aus dem Beatles-Mod-Britpop-Kosmos - auch die Referenz "Oasis" fällt darunter - in einem großen blitzlichtgewitternden Knall ab. Der letzte Song ist die Mod-Hymne My Generation von The Who aus dem Jahr 1965. Er endet in einem spektakulären Schlagzeugsolo: Der Drummer setzte sich wie ein Leistungssportler über die hohen Feedback-Wände hinweg, die ihm die Band gebaut hatte. Er war einst bei The Who ausgestiegen, um bei Oasis zu spielen. Jetzt überlässt die egomanste Band der Welt ausgerechnet ihrem Drummer den Schlussapplaus. Ist es doch Zak Starkey, der Sohn von Ex-Beatle Ringo Starr.

Alles in allem kein Grund, im Zorn zurück zu blicken, Jahrhundert fucking Halle. Irgendwo tritt leise rasselnd ein Schellenkranz den Heimweg in die Nacht an.

Frankfurt, Jahrhunderthalle, 27.10.2005 (Quelle: fr-aktuell.de)


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